Dämonentanz

7:10 Uhr. Mein Wecker klingelt. Ach ja, denke ich mir, es ist Sonntag. Mein junger Körper ächzt, mein Mund krächzt und mein Kopf will sich schlafend stellen, ist aber aktiver denn eh und je. Ich bin erschöpft. Ich möchte schlafen. Dieser interne Monolog spielt sich in Dauerschleife ab, während ich weiterhin liegen bleibe. Bis ich anfange mich zu wundern, warum Papa noch nicht angerufen hat. Hm. Ich stehe auf- Grundlegende Bedürfnisse müssen erstmal erledigt werden. Und rufe selber Papa an. Irgendwie half mir das, diesen kritischen Punkt zu überwinden. Automatik wurde angeschaltet: Anziehen. Tür auf. Tür zu. Schlüssel umdrehen. Treppe runter. Auto finden. Auto fahren. Es ist 7:48 Uhr.

8:00 Uhr. Hamburg ist heute grauer als die Farbe selbst. Ich merke, dass meine Psyche heute nicht mitmacht. Ich denke daran, wie sehr ich mich immer auf diesen Lauf freue. Was für eine magische Anziehungskraft die Alster auf mich ausübt. Wie oft ich hier schon rumgelaufen bin. Wie hart ich es mir erarbeitet habe, es regelmäßig zu tun. Einer von diesen Menschen zu werden, die ich so lange bewundert habe. Die morgendlichen Alsterläufer. Der Inbegriff von Disziplin und Leichtigkeit. 

Ich mache ein paar Hampelmänner und höre ein Auto stark beschleunigen. Mit quietschenden Reifen kommt es zu stehen. Papa ist da. Und hat einen Special Guest mit: Mama. Die ist dick eingepackt wie ein Weihnachtsgeschenk, da sie uns gleich mit dem Fahrrad begleiten wird. Es sind 7 Grad, also deutlich wärmer als die letzten paar Male. Ich hab eine lange Laufhose und ein langärmliges Shirt an. Papa hat zwei Schichten mehr an. Genau so wie viele der anderen Jogger. Bis ich jemanden in einem T-Shirt entdeckte. Ich nicke ihm zu. Und während all das passiert bin ich schon losgelaufen. Lustlos, zuerst, im Automatik nachher. Und mit dem Laufen kommt die Leichtigkeit. Ich denke an all die schönen Lauferlebnisse die ich hatte. Mein Lauf am Freitag- die Sonne schien, viele Menschen sind spazieren gewesen in Planten un Blomen. Und ich mittendrin. Wie sich die Sonne in der Infernalster gespiegelt hat. Wie das Rathaus bei diesem Licht aussah. Wie gut geölt sich mein Körper, meine Muskulatur, meine Gelenke angefühlt haben. Oder der eine Alsterlauf, bei dem uns Joana begleitet hat. Wo wir die erste Hälfte mit Schnacken verbrachten. Und und und und. Das hat mir die nötige mentale Stärke gegeben. „Denn ohne den Willen auch keine Kraft.“ Ich höre Kontra Ks Album „Aus dem Schatten ins Licht“. Das gibt mir immer einen Kick beim Sport. Vor allem die Lieder „Atme den Regen“ (daraus habe ich eben zitiert), „Erfolg ist kein Glück“, „Kampfgeist 2“ und „Disziplin“. Kontra K ist nämlich selber Sportler, genauer gesagt leidenschaftlicher Boxer. 

 

 

Während des Laufs bin ich in meiner eigenen Welt, in meinem Kampf gegen die kleinen Dämonen meiner Seele, die mich in die Knie zwingen wollen. Die mich davon überzeugen wollen, dass ich es nicht schaffe. Dass die letzten Male gar nicht real gewesen sind. Die mich permanent drauf hinweisen, wie leicht es bei den anderen aussieht. Was für eine tolle Form sie haben. Wie viel schneller sie sind. Dass sie vermutlich auch zwei oder drei Mal um die Alster laufen. Aber eine Stimme, diese eine Stimme, ruft mir immer wieder in Erinnerung: „Du gehst deinen eigenen Weg. In deinem eigenem Tempo. Und das ist gut so.“ Mama hat uns gefilmt und wie ihr unschwer erkennen könnt, war ich nicht kommunikationsfreudig.

Und irgendwann im Laufe der Zeit (ha, ha, see what I did there) sind Papa und ich auf der letzten Geraden. Und laufen. Frei, erleichtert, mit neuer Energie auf das Ziel zu. Danach gibt’s traditioneller Weise Kaffee und ein Franzbrötchen (heute greife ich jedoch zu einem belegten Brötchen). Ich habe es geschafft.Wir haben es geschafft. Wieder ein mal.

Was geht in euch während eines Laufs vor? Habt ihr auch solche kleinen Dämonen? Wie kämpft ihr dagegen an? Schreibt es gern in die Kommentare! Ich würde mich drüber freuen.

Stay strong,

Korni

 

2 Comments Add yours

  1. Das geht Bei mir nur mit einem Dämonenaustreiber, meine Schwester, die Leistungssportlerin ist oder hardcore Drum&Bass von Pendulum. Dein Artikel motiviert mega zur nächsten Laufsession. Danke

    Liked by 1 person

    1. alifealive says:

      Immer gern Marie! Freut mich, dass du vorbeigeschaut hast ☺

      Like

Leave a comment